Strukturwandel in deutsch-irakischer Zusammenarbeit

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Blick auf die Hauptstadt der Autonomen Republik Kurdistan Erbil mit der Jalil Khiat Moschee: Die hiesige University of Kurdistan ist Projektpartner der BTU Cottbus-Senftenberg.

Zwischen Cottbus und Erbil im Irak gibt es auf den ersten Blick keine Verbindung: hier die kreisfreie Stadt in der Lausitz, dort die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan. Und doch haben beide Regionen etwas gemeinsam: Sie wollen ihre Abhängigkeit von Braunkohle und Erdöl reduzieren. Dieser Strukturwandel war Anlass einer Projektreihe zwischen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und der University of Kurdistan Hewlêr (UKH) im Rahmen der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft.

Erbil, auf Kurdisch Hewlêr, ist seit 1992 Sitz des Regionalparlaments von Kurdistan. Dank seiner fruchtbaren Hochebenen galt die Region im Norden Iraks lange als „Kornkammer des Mittleren Ostens“. Mittlerweile arbeitet jedoch nur noch etwa jeder Zehnte der rund 5,5 Millionen Menschen in der Landwirtschaft. Gleichzeitig nahm die Bedeutung der Erdölförderung seit 2014 rasant zu. Damals übernahm die Autonomieregierung die Kontrolle über die Ölfelder Bai Hassan und Kirkuk, eines der größten Ölfelder weltweit.

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Eine Erdölraffinerie in der Nähe von Erbil. Die Region steht weltweit auf Platz 6 der Liste der größten Erdölvorkommen.

Das Ziel: Wirtschaft diversifizieren
„Die Region lebt fast ausschließlich vom Erdöl und möchte diese Abhängigkeit verringern. Ziel der Autonomieregierung ist es daher, die Wirtschaft zu diversifizieren“, erklärt Prof. Dr. Eike Albrecht, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, insbesondere Umwelt- und Planungsrecht an der BTU Cottbus-Senftenberg. Auch im Lausitzer Braunkohlerevier steht man vor tiefgreifenden Veränderungen, seit feststeht, dass bis 2038 die letzten Braunkohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Dieser Strukturwandel soll durch das internationale PhD-Programm „Sustainable Socio-technical Transformation“ begleitet werden, dessen Aufbau die BTU derzeit vorbereitet.

Daher lag eine Zusammenarbeit mit der University of Kurdistan Hewlêr (UKH) nahe. Die staatliche Hochschule wurde 2006 gegründet. „Die Universität ist sehr international geprägt und gilt in der Hochschullandschaft Kurdistans als Aushängeschild“, sagt Prof. Dr. Albrecht. Der Kontakt zur BTU kam über seinen Kollegen Prof. Dr. Bachar Ibrahim zustande, einen Agrarwissenschaftler aus Damaskus, der aktuell eine Gastprofessur an der BTU innehat und über viele Kontakte in die arabische Region verfügt. Auch Albrecht hat in der Vergangenheit mehrfach Projekte in Ländern des arabischen Raums durchgeführt, etwa im Rahmen des Erasmus+ Programms.

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„Die Wirtschaft in Kurdistan muss die Qualitätsansprüche auf dem Weltmarkt erfüllen“, sagt Prof. Dr. Eike Albrecht von der BTU Cottbus-Senftenberg.

Weltweite Qualitätsstandards erfüllen
Seit 2017 arbeiten BTU und UKH in der Projektreihe „Sustainability in Kurdistan University Hewlêr“ (Susi KUH) zusammen, die im Rahmen der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft gefördert wird. Bislang fanden drei Projekte statt, der Antrag für 2020 wurde ebenfalls genehmigt. In dieser Zeit wurden unter anderem fünf gemeinsame Workshops mit Studierenden beider Hochschulen durchgeführt, zwei davon in Erbil.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Kooperation ist es, das Thema Qualitätsmanagement im Curriculum der UKH zu verankern. „Wenn die Region ihre Wirtschaft diversifizieren will, müssen ihre Produkte die Qualitätsansprüche auf dem Weltmarkt erfüllen“, erläutert Prof. Dr. Abrecht. „Die Lehrenden an der UKH stammen aus der ganzen Welt. Sie kennen das Thema, sind aber keine Experten. Für die Studierenden ist das Thema Qualitätsmanagement relativ neu.“ Aufseiten der BTU ist Prof. Dr.-Ing. Ralf Woll federführend, der seit 1997 den Lehrstuhl für Qualitätsmanagement leitet.

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University of Kurdistan Hewlêr

Unter anderem fand in Erbil ein gemeinsamer Workshop zum Thema Qualitätsmanagement statt.

Ende 2019 führte die BTU in Erbil einen viertägigen Workshop zum Thema „Six Sigma“ durch, ein Qualitätsmanagementsystem, das Ende der 1990er Jahre von Motorola entwickelt und weltweit vor allem durch den amerikanischen Industriekonzern General Electric bekannt wurde. Angelehnt an japanische Kampfsportarten werden die unterschiedlichen Rollen und Qualifikationen über Gürtelfarben definiert. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden schloss den anspruchsvollen Workshop erfolgreich mit der Qualifikation „Yellow Belt“ ab. 

Ausgebremst durch Covid-19
„Unser Ziel ist es, uns in naher Zukunft auf die Ausbildung einer Ausbilderin oder eines Ausbilders für Qualitätsmanagement und eine gemeinsame Doktorandenbetreuung zu konzentrieren“, berichtet Mamilan Hussein, MSc, die das Projekt in der Vergangenheit in Erbil betreut hat. Daher war für 2020 eigentlich ein halbjähriger Aufenthalt von Promovierenden an der BTU beantragt, inklusive Besuchen bei mittelständischen Unternehmen in der Umgebung. „Leider verzögert sich die Umsetzung dieses Projekts bisher aufgrund der Covid-19-Pandemie“, so Hussein. Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt neben Qualitätsmanagement ist das Thema Unternehmensgründung. Denn die Region steht gleichzeitig vor der Herausforderung, rund zwei Millionen Flüchtlinge zu integrieren und ihnen eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten. 

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University of Kurdistan Hewlêr

„Inspirierende Erfahrung“: Mamilan Hussein (links), Ansprechpartnerin aufseiten der UKH, mit Prof. Dr. Magdalena Mißler-Behr, Lehrstuhlinhaberin für Planung, Innovation und Gründung, sowie Prof. Dr.-Ing. Ralf Woll, Lehrstuhl für Qualitätsmanagement, jeweils an der BTU Cottbus-Senftenberg.

Kooperation soll fortgeführt werden
„Es gibt jedoch auch andere Aspekte, die sehr wichtig waren, wie etwa den Studierendenaustausch. Die Studierenden, die Deutschland besucht haben, berichten, dass das Projekt einen großen Einfluss auf ihr akademisches, berufliches und persönliches Leben hatte“, weiß Hussein. Auch die Universität selbst und die Lehrenden haben von der Zusammenarbeit über die inhaltlichen Schwerpunkte hinaus sehr profitiert. „Dieses Projekt hat uns geholfen, die Universität weiterzuentwickeln und unsere Forschung und Lehre zu verbessern. Die akademische und kulturelle Erfahrung, die wir mit den Partnerinnen und Partnern gesammelt haben, war inspirierend. Unser Ziel ist es, auch weiterhin mit der BTU und deutschen Institutionen zusammenzuarbeiten, um unsere akademischen und beruflichen Leistungen zu verbessern, indem wir uns an der deutschen Kultur orientieren“, sagt Hussein.

Peter Nederstigt (30. Oktober 2020)

Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft

2012 startete das Förderprogramm mit Mitteln des Auswärtigen Amtes mit den Zielländern Ägypten und Tunesien, 2013 kamen Jemen, Jordanien, Libyen und Marokko hinzu, 2016 Irak und Libanon. Das Programm beinhaltet drei Programmlinien. Das Projekt Susi KUH wurde im Rahmen der Programmlinie 2: Deutsch-Arabische Kurzmaßnahmen gefördert.