Leibniz-Preis für DAAD-Alumnus: Prof. Dr. Nico Eisenhauer im Porträt
Universität Leipzig
Der Wissenschaftler und DAAD-Alumnus Prof. Dr. Nico Eisenhauer gehört zu den Preisträgerinnen und Preisträgern des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises 2021.
Herausragende Forschungen zur Biodiversität: Nico Eisenhauer, Professor für Experimentelle Interaktionsökologie am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und an der Universität Leipzig, wird mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2021 für seine Beiträge zu den Auswirkungen des globalen ökologischen und klimatischen Wandels auf die Biodiversität und Ökosysteme ausgezeichnet.
Kleine Lebewesen spielten schon in Nico Eisenhauers Studium eine wichtige Rolle. Den Einfluss europäischer Regenwürmer auf Bodenchemie und Mikroflora in einem nordamerikanischen Laubwald untersuchte er in seiner Diplomarbeit, die er unter anderem mit einem DAAD-Stipendium an der University of Calgary in Kanada fertigstellte. Eisenhauers übergeordnetes Thema sind die Auswirkungen des weltweiten, oft menschengemachten Klimawandels auf die Biodiversität und Ökosystemfunktionen sowie die globale Verteilung der Bodenmakro- und -mesofauna. Er promovierte 2008 in Biologie an der TU Darmstadt und habilitierte sich 2012 an der Georg-August-Universität Göttingen.
„The Jena Experiment“
Sein Weg führte Eisenhauer als Postdoc zum „Jenaer Experiment“, einem der längsten Biodiversitätsexperimente Europas. „Das Jenaer Experiment“ wird vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig betrieben und ist eine der wichtigsten Säulen in Eisenhauers bisherigem Werdegang: Seit 2014 ist der heute 41-Jährige dort Professor für Experimental Interaction Ecology und prägt die Arbeit am iDiv als Sprecher einer DFG-Forschungsgruppe maßgeblich mit.
Wirkmächtige Wechselbeziehungen
Die wichtigsten Ergebnisse im „Jenaer Experiment“ wurden unter dem Titel „Biodiversity effects on ecosystem functioning in a 15-year grassland experiment: Patterns, mechanisms, and open questions“ in der Zeitschrift „Basic and Applied Ecology“ publiziert. Sie zeigen, dass das Leben der Menschen von Biodiversität abhängt: Experimente konnten beweisen, dass ein Rückgang der biologischen Vielfalt deutliche Auswirkungen auf die Funktionsweise von Ökosystemen haben wird. Das sei sehr bedeutsam, so Eisenhauers Schlussfolgerung, da gesunde Ökosysteme nicht nur Nahrung und andere Ressourcen bereitstellen, sondern auch durch die Filterwirkung des Bodens für sauberes Trinkwasser sorgen, Kohlenstoff speichern, saubere Luft produzieren und vor Bodenerosion schützen.
„Die Erkenntnisse sind nicht nur wichtig für die Grundlagenforschung“, betont Eisenhauer, „sondern haben auch angewandte Relevanz, was das Management unserer Ökosysteme angeht.“ Die Veröffentlichung trug 2017 anerkanntermaßen dazu bei, das Verständnis der Wechselbeziehungen von Pflanzen mit Bodentieren sowie den mikrobiellen Gemeinschaften des Bodens maßgeblich zu erweitern.
Weltweite Biodiversitätsforschung
Ein zweiter Schwerpunkt von Nico Eisenhauers Forschung ist die globale Verteilung von Biodiversität im Boden. Seine Studien sollen zu einem besseren Verständnis beitragen, wo welche und wie viele Arten vorkommen und von welchen Einflussfaktoren, etwa Bodenbedingungen und Klima, die Biodiversität und das Funktionieren von Ökosystemen abhängen.
Grundlage dieser Untersuchungen sind meist weltweit angelegte Monitoring-Kampagnen, um Daten direkt an Standorten rund um den Globus auf standardisierte Art und Weise zu erheben. Zu den Erkenntnissen Eisenhauers und seines Teams, die im Januar 2019 unter dem Titel „Global Distribution of Earthworm Diversity“ im Magazin Science veröffentlicht wurden, gehört, dass etwa die Vielfalt der für fruchtbaren Boden wichtigen Regenwürmer weltweit sehr unterschiedlich ist und oft von der Niederschlagsmenge abhängt. Weitere Studien seiner Gruppe konnten zeigen, dass die Temperatur beziehungsweise ihr Anstieg wiederum eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von pflanzlichen Krankheitserregern spielt.
„Die Wissenslücken auf diesem Gebiet sind aber noch groß“, räumt Eisenhauer ein. Um sie zu schließen, gründete er mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die globale Monitoring-Kampagne Soil BON. „Diese Initiative soll eine einheitliche Erfassung von Biodiversität im Boden und in Ökosystemfunktionen ermöglichen“, sagt er. Mit weiteren Forschungsarbeiten stellte Eisenhauer zudem die entscheidenden Weichen für ein prozessbasiertes Verständnis der Funktion von Biodiversität unter den Bedingungen fortschreitender Umweltveränderungen.
Prägende Auslandserfahrung und richtungsweisende Forschung
Die weltweite Relevanz seiner Forschungen lernte Nico Eisenhauer schon im Laufe seines DAAD-Aufenthalts in Kanada kennen. „Die Erfahrungen und Eindrücke, die ich während dieses Forschungsaufenthalts gesammelt habe, haben mich und meine Karriere grundlegend geprägt“, erinnert er sich. „Ohne diese internationale Arbeit würde ich sicherlich nicht dort stehen, wo ich jetzt sein darf.“
Eisenhauers Mitgliedschaft in Organisationen wie dem European Research Council oder der National Science Foundation in den USA zeigen, dass die weltweite Vernetzung von Biologinnen und Biologen entscheidend dafür ist, die Wechselbeziehungen zwischen globalen Veränderungen und den mikrobiellen Gemeinschaften des Bodens zu verstehen oder den Nutzen der Mikro- und Mesofauna für die Stabilität von Ökosystemen zu erforschen. Mehr als 300 Veröffentlichungen, oft in renommierten Publikationen wie Nature oder Science, haben dazu beigetragen, Eisenhauer zu einem hoch angesehenen Biologen zu machen. Zu Recht: Seine Forschung erbrachte wesentliche Weiterentwicklungen in der ökologischen Theorie und ein grundlegendes Verständnis der funktionellen Bedeutung von Biodiversität.
Torben Dietrich (15. März 2021)
Zur Person
Prof. Dr. Nico Eisenhauer, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
- Forschungsfeld: Biodiversität und experimentelle Ökosystemforschung.
- Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2021 für: herausragende Forschung zum Verständnis des Zusammenhangs zwischen globalem klimatischen Wandel und der Veränderung von Ökosystemen und Biodiversität.
- Berufliche Stationen: TU Darmstadt, University of Calgary, Georg-August-Universität Göttingen, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).
Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis
Der Wissenschaftspreis ist der wichtigste Forschungsförderpreis in Deutschland und wird jährlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Vorschlag Dritter vergeben. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten die Möglichkeit, ihre Forschung zu erweitern, zu intensivieren und besonders begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu beschäftigen. Der Leibniz-Preis ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro pro Preisträgerin oder Preisträger dotiert. Die Preisverleihung findet in diesem Jahr am 15. März virtuell statt.
Artikel der Serie „Leibniz-Preise für DAAD-Alumni“
- Leibniz-Preise 2021: Prof. Dr. Steffen Mau, Makrosoziologie
- Leibniz-Preise 2020: Professorin Juliane Vogel, Theater- und Literaturwissenschaft
- Leibniz-Preise 2020: Professorin Dagmar Schäfer, Wissenschafts- und Technikgeschichte
- Leibniz-Preise 2020: Professor Thorsten Bach, Organische Photochemie
- Leibniz-Preise 2019: Professor Andreas Reckwitz, Vergleichende Kultursoziologie
- Leibniz-Preise 2019: Professorin Michèle Tertilt, Wirtschaftswissenschaften
- Leibniz-Preise 2018: Professor Eike Latz, Immunologie
- Leibniz-Preise 2018: Professorin Nicola Fuchs-Schündeln, Wirtschaftswissenschaften
- Leibniz-Preise 2018: Professor Jens Beckert, Wirtschaftssoziologie
- Leibniz-Preise 2018: Professorin Heike Paul, Amerikanistik
- Leibniz-Preise 2017: Professorin Anne Storch, Afrikanistik
- Leibniz-Preise 2017: Professor Lutz Ackermann, Organische Molekülchemie
- Leibniz-Preise 2017: Professor Karl-Peter Hopfner, Strukturbiologie
- Leibniz-Preise 2016: Professor Frank Bradke, Neuroregeneration
- Leibniz-Preise 2016: Professorin Marina Rodnina, Biochemie
- Leibniz-Preise 2016: Professor Christoph Möllers, Rechtswissenschaften
- Leibniz-Preise 2016: Professorin Bénédicte Savoy, Kunstgeschichte der Moderne