Europäische Hochschulen: Innovationsdynamik für die regionale Wirtschaft

DAAD

Campus Europa ist der DAAD-Podcast zu den Europäischen Hochschulallianzen. DAAD Aktuell begleitet die aktuellen Folgen mit weiteren Stimmen aus den verschiedenen Allianzen.

Europäische Hochschulallianzen haben es sich zur Aufgabe gemacht, hochqualifizierte Fachkräfte auszubilden, Innovationen in die regionalen Wirtschaftsräume zu transferieren und das Unternehmertum in den Regionen zu fördern. Eine Vertreterin und zwei Vertreter der Allianzen EELISA, EUNICE und EUt+ berichten, wie sie diese Vorhaben umsetzen wollen. 

Gemäß einer Forderung der EU-Mitgliedsstaaten von 2017, strategische Partnerschaften zwischen Hochschuleinrichtungen in der gesamten EU zu stärken, haben sich Hochschulen in Europa zu „European Universities“ zusammengeschlossen. Mittlerweile in der zweiten Ausschreibungsrunde, setzen insgesamt 41 dieser europaweiten Zusammenschlüsse ihre Konzepte um. Ein wichtiges Vorhaben der Allianzen ist es, dem akuten Fachkräftemangel in Europa entgegenzutreten sowie Absolventinnen und Absolventen für den Arbeitsmarkt von morgen fit zu machen. Studierende sollen die Möglichkeit bekommen, auch über die Landesgrenzen hinweg Praxiserfahrungen in Unternehmen aus vielfältigen Branchen zu sammeln und so ihre Berufschancen zu erhöhen. Kooperationen zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft sollen dazu beitragen, Innovationen und Know-how auszutauschen und die regionale Wirtschaft voranzubringen. Durch die Mobilisierung kreativer Talente haben Europäische Hochschulen zudem das Potenzial, unternehmerische Initiative in den Regionen zu fördern sowie die Gründung und Expansion von Start-ups in Europa zu unterstützen. 

Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Europäische Hochschulen diese Vorhaben umsetzen? Auf welche Weise ziehen dafür Wirtschaft, Industrie und Universitäten an einem Strang? Eine Vertreterin und zwei Vertreter der Hochschulallianzen EELISA, EUNICE und EUt+ berichten aus der Praxis. 

EELISA: Stärkung der Regionen – im Fokus: Förderung von Entrepreneurship

Europäische Hochschulen: Innovationsdynamik für die regionale Wirtschaft

FAU/David Hartfiel

Prof. Dr.-Ing. Jörg Franke leitet an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) den Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik. Zudem ist er akademischer und wissenschaftlicher Koordinator der FAU in der European University EELISA.

„Im Rahmen der European University EELISA haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, eine neue Generation von Ingenieurinnen und Ingenieuren auszubilden, die intelligente Technologien mit dem Bedürfnis nach einer sozial-ökologischen Wirtschaft in Einklang bringen. Die EELISA-Absolventinnen und -Absolventen sollen in der Lage sein, in einem interdisziplinären und internationalen Umfeld zu arbeiten sowie die EU als eine gerechte und wohlhabende Gesellschaft mit einer modernen und ressourceneffizienten Wirtschaft mitzugestalten. Mit unseren Industriepartnern an den verschiedenen Standorten analysieren wir gerade, welche Erwartungen an künftige Ingenieurinnen und Ingenieure gestellt werden, und lassen diese Erkenntnisse aus dem europaweiten Netzwerk in die Projektaktivitäten einfließen. 

Das Thema Entrepreneurship und die Förderung von Unternehmergeist spielen dabei eine wichtige Rolle. Auf regionaler Ebene fördern wir die universitätsübergreifende Entrepreneurship-Ausbildung durch die Vernetzung unserer Gründerzentren und deren Kunden. Auf Seiten der FAU sind dies in Nürnberg zum Beispiel der Zollhof - Tech Incubator und der gerade neu ins Leben gerufene NKubator. Diese greifen ganz gezielt die zentralen Zukunftsthemen Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit auf und unterstützen die Studierenden dabei, ihre Ideen zu einem Geschäftsmodell auszubauen. 

Im vergangenen Jahr haben pandemiebedingt viele Formate online stattgefunden und konnten so für die EELISA-Allianz geöffnet werden, wie zum Beispiel der HACKBAY Hackathon 2021. Auch in regulären Kursen zu Social Entrepreneurship haben internationale Teams virtuell über Geschäftsideen diskutiert. Dadurch entstand zum Beispiel ein Austausch darüber, wie man das in Spanien weit verbreitete Vertical-Gardening-Konzept an der FAU umsetzen könnte oder wie sich das in Erlangen viel genutzte Rebowl & Recup-System an der Technical University of Madrid implementieren ließe. 

Eine weitere Idee, die wir verfolgen, ist ein Konzept für einen Start-up-Pitchday, an dem transnational Praktika für Studierende der jeweils anderen Partneruniversitäten beworben werden. Darüber hinaus haben wir mittlerweile auch ein eigenes Projekt „EELISA  Unfolds“ erfolgreich ins Leben gerufen, das vom Europäischen Institut für Innovation und Technologie gefördert wird und ganz gezielt auf die Themen Entrepreneurship-Ausbildung sowie Innovation in der Allianz ausgerichtet ist.“

EELISA

Die European Engineering Learning Innovation and Science Alliance, kurz EELISA, ist ein Zusammenschluss von neun Europäischen Hochschulen: 

  •  PSL Research University (Frankreich)
  •  National School of Civil Engineering (Frankreich) 
  •  Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Deutschland)
  •  Budapest University of Technology and Economics (Ungarn)
  •  Technical University of Madrid (Spanien)
  •  Sant‘Anna School of Advanced Studies (Italien)
  •  Higher Normal School (Italien)
  •  Politehnica University of Bucharest (Rumänien)
  •  Istanbul Technical University (Türkei)

In EELISA-Communities arbeiten Studierende, Hochschulangehörige und externe Stakeholder gemeinsam an Lösungen zu aktuellen, sozio-technischen Herausforderungen. Die Förderung des Technologietransfers und moderner Forschungskooperationen sowie die Integration von Praktika und dualem Studium in den Universitätsalltag sind entscheidende Elemente für die gemeinsame Idee einer europäischen Ingenieursausbildung. EELISA-Studierende sollen so mit zukunftsorientierten Kompetenzen ausgestattet werden, die ihre Berufsbefähigung erhöhen. Ein weiteres Anliegen ist die Schaffung auch langfristig fundierter Wissenspartnerschaften mit Industrie und Gesellschaft.

EUNICE: Kooperation mit der Industrie – im Fokus: Lehre, Ausbildung, Employability

Europäische Hochschulen: Innovationsdynamik für die regionale Wirtschaft

BTU Cottbus-Senftenberg

Prof. Dr. Christiane Hipp koordiniert die Europäische Hochschulallianz EUNICE – European University for Customised Education – an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

„Um die Studierenden von EUNICE auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten und gleichzeitig Kooperationen zwischen den Allianzpartnern und den regionalen Unternehmen zu stärken, haben wir im letzten Jahr verschiedene Formate umgesetzt. In einem ,Industrial Workshop' haben Firmen in unterschiedlichen Themeneinheiten unter anderem ihre Praktika- und Abschlussarbeiten vorgestellt. Darüber hinaus gab es Workshops zum Thema „Interkulturelle Kompetenz“ und Bewerbungstrainings. Außerdem wurden die verschiedenen Promotionsprogramme der Partnerländer mit dem Schwerpunkt Industrie präsentiert.

Dazu haben wir einen Workshop zum Thema Industriepromotionen durchgeführt, der auf große Resonanz gestoßen ist. Hier gibt es auch bereits vertiefende Folgegespräche zwischen Unternehmen und einzelnen Lehrstühlen. EUNICE plant weiterhin, mit der Unterstützung der europäischen Allianzpartner spezielle Weiterbildungskurse anzubieten, zum Beispiel im Bereich interkultureller Kompetenzen für Beschäftige aus der Wirtschaft. Somit unterstützen wir Firmen, sich den zunehmenden Herausforderungen der internationalen Arbeitswelt zu stellen und sich die damit verbundenen notwendigen Fähigkeiten anzueignen. Zudem werden die Allianzpartner in Abstimmung mit der regionalen Wirtschaft gemeinsame Lehrpläne gestalten, um die Kompetenzen der Hochschulabsolventinnen und -absolventen für den vielfältigen europäischen Arbeitsmarkt zu erweitern.

Ein anderes wichtiges Ziel von EUNICE ist es, die Perspektiven für Studierende auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu verbessern. Dafür hat die Allianz gemeinsam mit Firmen der jeweiligen Partnerländer eine Praktikumsdatenbank aufgebaut, in der zurzeit 209 Unternehmen Praktikumsplätze anbieten. Die Datenbank wird fortlaufend aktualisiert und erweitert. Dadurch haben Studierende die Möglichkeit, auch über Landesgrenzen hinweg Praxiserfahrungen in Unternehmen aus vielfältigen Branchen zu bekommen. Sie verbessern damit nicht nur ihr praktisches Wissen und ihre Beschäftigungsfähigkeit, sondern erhalten die Chance, in andere europäische Kulturen einzutauchen. Diese interkulturelle Erfahrung erhöht die Attraktivität der Studierenden für den europäischen Arbeitsmarkt nach ihrem Studienabschluss und hilft ihnen, sich schneller in internationale Teams zu integrieren. Durch die Veröffentlichung von Praktikumsplätzen im gesamten EUNICE-Netzwerk haben die einheimischen Unternehmen gleichzeitig den Vorteil, Studierende aus anderen Ländern aufzunehmen und somit perspektivisch Absolventinnen und Absolventen aus Studiengängen zu rekrutieren, die an der Hochschule vor Ort nicht abgebildet werden.“

EUNICE

Die European University for Customised Education, kurz EUNICE, vereint sieben europäische Universitäten: 

  •  University of Mons (Belgien)
  •  Polytechnic University of Hauts-de-France (Frankreich)
  •  University of Cantabria (Spanien)
  •  University of Vaasa (Finnland)
  •  Poznan University of Technology (Polen)
  •  Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Deutschland)
  • University of Catania (Italien)

Durch Interaktionen zwischen Hochschulen, Industrie, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Gesellschaft will die Allianz mittel- und langfristig zu einer der transformierenden Säulen in Europa werden. Studierende sollen auf der Grundlage neuer Prinzipien und Werte, Kenntnisse und Fähigkeiten ausgebildet werden – mit dem Ziel, gerechtere und ausgewogenere Gesellschaften zu schaffen und eine Entwicklung zu ermöglichen, welche die Menschen, die lokale Umgebung und die globale Umwelt respektiert.

EUt+: Kooperation mit der Wirtschaft – im Fokus: Transfer von Innovationen

Europäische Hochschulen: Innovationsdynamik für die regionale Wirtschaft

Hochschule Darmstadt (h_da)/Gregor Schuster

Prof. Dr. Arnd Steinmetz, derzeit noch amtierender Vizepräsident für Digitalisierung und Internationalisierung der Hochschule Darmstadt (h_da), wird am 1. April 2022 das Amt des Präsidenten der h_da übernehmen. 

„Die Allianz EUt+ betrachtet den Transfer von Wissen und Innovation als eine der zentralen Säulen neben Lehre und Forschung. Das Potenzial dieses Transfers entfaltet sich durch wechselseitige Impulse und trägt damit zur lokalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weiterentwicklung bei.

Die Wirtschaft profitiert von Innovationen, die aus angewandter Forschung hervorgehen, und von direkten Kontaktmöglichkeiten zu unseren hochqualifizierten Studierenden, den Fachkräften von morgen. Die EUt+ hingegen/ihrerseits profitiert als Allianz von polytechnischen Hochschulen mit klarem Anwendungsbezug von vielfältigen Kooperationsprojekten, dem Wissensgewinn und dessen Aktualität für Forschung und Lehre. Unser Anspruch in EUt+ ist, praxisnahe Lösungen anzubieten, die Nachhaltigkeit und eine verantwortungsvolle Technikentwicklung berücksichtigen – ganz nach dem Motto ,European Values Empowering Technology’. Technik und Innovation mit Blick auf den Menschen zu denken, ist ein Kernanliegen von EUt+ und hat innerhalb der einzelnen Hochschulen eine lange Tradition. Durch das europäische Netzwerk mit unterschiedlichen Denkweisen und Kulturen können wir voneinander lernen und neue Optionen für regionale Partner bieten. Zudem steigern wir durch unser europäisches Umfeld unsere Attraktivität, was sich unter anderem auf die Erschließung strategischer Partnerschaften positiv auswirkt. Formen der Kooperation können sehr unterschiedlich ausfallen – von gemeinsam organisierten Symposien, Forschungsprojekten oder Gastvorträgen bis hin zur Betreuung von Abschlussarbeiten oder gemeinsamen Promotionsvorhaben.
 
Jede einzelne der acht Hochschulen ist ein etabliertes Mitglied der lokalen Gemeinschaft mit zahlreichen Verbindungen zu lokalen Institutionen und Unternehmen, zum Beispiel Gremien der Industrie- und Handelskammern oder zur Stadtwirtschaft, und trägt damit zur regionalen Entwicklung bei. Was uns als EUt+ auszeichnet, ist unsere Praxis- und Anwendungskompetenz, die sich in Projekten widerspiegelt, etwa der Erforschung erneuerbarer Kraftstoffe mit der Audi AG oder der Erarbeitung neuer Prozeduren zur Reinigung von Flugzeugtriebwerken mit der Lufthansa Technik AG. Zudem pflegen wir enge Kooperationen mit den in den Regionen ansässigen Wissenschaftseinrichtungen und forschenden Unternehmen. Zur Stärkung unserer Innovationsdynamik hat EUt+ kürzlich das ,European Office for Innovation and Technology Transfer‘ gegründet. Als Koordinations- und Verbindungsstelle wird es zukünftig allen Forschenden von EUt+ unterstützend bei Themen des Technologietransfers und des geistigen Eigentums (Intellectual Property) zur Seite stehen und zur Förderung der Beziehungen zur Industrie beitragen.“

EUt+

Die European University of Technology, kurz EUt+, ist ein Netzwerk aus acht Europäischen Hochschulen: 

  • Riga Technical University (Lettland)
  • University of Technology of Troyes (Frankreich)
  • Technical University of Cartagena (Spanien)
  • Technical University of Cluj-Napoca (Rumänien)
  • Technical University of Sofia (Bulgarien)
  • Technological University Dublin (Irland)
  • Hochschule Darmstadt, University of Applied Sciences (Deutschland)
  • Cyprus University of Technology (Zypern)

Die Allianz wird von der Idee geleitet, dass Technologie mehr ist als eine Reihe von Techniken oder angewandten Wissenschaften. Eine transdisziplinäre Herangehensweise prägt die Lehrpläne von EUt+, um Studierende auszubilden, die sich globaler Probleme bewusst sind und als technologisch verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger handeln können. Gegründet auf den Prinzipien der Fairness, der Achtung der Menschenrechte und europäischen Werten, setzt sich die Allianz dafür ein, ihren Studierenden die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um an allen Standorten der EUt+ ihr Potenzial zu realisieren.

Sabine Moser (1. März 2022)

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