"Es gibt kaum Gelder für die Bildung"

DAAD

Layer im Beratungsgespräch bei einer Stipendienmesse

Mehr als ein Urlaubsland: Mareike Brlečić Layer arbeitet seit zwei Jahren als DAAD-Lektorin in Zagreb. Der kroatische Bildungssektor leidet schwer unter der Wirtschaftskrise, doch Layer schätzt die kulturell florierende Hauptstadt, ihre aufgeweckten Studierenden und den Brückenschlag zum Balkan.

Dass sie am Ende in Kroatien landete, war Zufall. Aber zum DAAD wollte Mareike Brlečić Layer unbedingt. Deshalb lernte die Berlinerin während ihres Germanistikstudiums auch das Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache. Schließlich erfuhr sie in einer Nachrücker-Ausschreibung des DAAD, dass das Lektorat in Zagreb kurzfristig vakant sei. Zu Kroatien hatte sie zuvor keinen Bezug, sagt sie: „Aber die Stelle hat mich gereizt. Ich bin hier in der kulturwissenschaftlichen Germanistik, das Niveau ist sehr hoch, vor allem im Masterstudium.“

Großes Interesse an Kooperationen

Dabei macht das Land gerade schwere Zeiten durch. „Wirtschaftlich geht es Kroatien so schlecht wie Griechenland oder Italien, auch wenn das in den deutschen Medien kaum vorkommt“, erklärt sie. „Es gibt kaum Geld für die Bildung.“ Die Gehälter aller Dozenten wurden eingefroren; landesweit gibt es pro Semester nur eine Handvoll neuer Stellen an den Universitäten. Eine Situation, in der internationale Kooperationen besonders wichtig werden. „Seit dem EU-Beitritt ist das Interesse daran groß“, sagt Layer. Die gemeinsamen Projekte sorgen für bereichernde Einsichten: "Die kroatischen Kollegen bringen einen anderen Blick auf Mitteleuropa ein." Layer sieht sich auch etlichen Studierenden gegenüber, die nach Deutschland möchten – selbst Schüler informieren sich bei ihr über die Möglichkeiten, denn die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei mehr als 50 Prozent. Wer kein Deutsch spricht, kann meist immerhin gutes Englisch vorweisen und sich für englischsprachige Programme an deutschen Hochschulen bewerben. „Fürs Ingenieurwesen melden sich viele gute Kandidaten“, sagt Layer. „Auch Jura, Geisteswissenschaften und Medizin sind beliebt.“

Am liebsten vermittelt die DAAD-Lektorin Studierende, die nach ihrer Ausbildung in Deutschland nach Kroatien zurückkehren möchten. „Das Land braucht diese jungen Menschen“, sagt sie. „Und ihnen tut es gut, mal ins Ausland zu gehen und neue Anregungen zu bekommen.“ Die kroatische Jugend ist konservativer als ältere Generationen. Es hapert an der Integration und Förderung von Minderheiten. Mareike Brlečić Layer will in ihren Seminaren nicht gezielt Meinungen bilden, aber sie lässt sich bei Demonstrationen gegen Homophobie blicken. „Es ist nicht falsch, Farbe zu bekennen“, sagt sie. Auch den Nationalismus in Kroatien kann sie nicht teilen. Als der wegen Kriegsverbrechen angeklagte General Ante Gotovina in Den Haag freigesprochen wurde, saß sie in einem Café und wunderte sich über den allgemeinen Jubel. „Ich war von seiner Verurteilung ausgegangen und fragte, welche Strafe er denn bekommen habe“, erzählt sie. „Darauf sagte man mir, sie feierten seinen Freispruch.“ Ihre Irritation darüber hält bis heute an. „Selbst wenn er unschuldig war, ging es da um einen entsetzlichen Krieg und viele Tote. Auf solche Dinge würde ich nicht anstoßen.“

Viel Organisation im Alleingang

Weil es in Kroatien kein Informationszentrum des DAAD gibt, organisiert die Lektorin vieles selbst: Sie unterrichtet Landeskunde, Kulturgeschichte und Linguistik. Auch um Beratungen und Bewerbungen um DAAD-Stipendien sowie die Organisation und Durchführung der DAAD-Auswahlen kümmert sie sich. Nebenbei findet sie Zeit, eine größere Veranstaltung wie einen Poetry Slam zu organisieren. Vor einigen Wochen erhielt Mareike Brlečić Layer eine Nachricht von ihren Zweitsemestern, die sie in Phonetik unterrichtet: Sie fehle ihnen an der Universität. Es sei langweilig ohne sie. Aber bis November wird die DAAD-Lektorin zu Hause dringend gebraucht: Sie hat mit ihrem kroatischen Ehemann ein Baby bekommen.

Julia Bähr (22. Oktober 2014)