Internationalisierung stufenweise anpacken
Uta Konopka Photographie
Das DAAD-Programm HAW.International bietet Fördermöglichkeiten, um den Anstieg des Internationalisierungsgrads von Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Fachhochschulen weiter auszubauen.
Die Hochschule Trier und die Fachhochschule Dortmund nutzen das DAAD-Programm HAW.International für ihre Internationalisierung. Obwohl beide unterschiedliche Internationalisierungsstrategien haben, profitieren beide von dem Programm. Ein Erfahrungsbericht über die ersten Monate.
Wie komplex die Internationalisierung an der Hochschule ist, wurde Prof. Dr. Stefan Diemer bewusst, als er 2016 für die Hochschule Trier einen komplett englischsprachigen Bachelorstudiengang aufbaute: Schon kleine Internationalisierungsschritte im Fachbereich erforderten plötzlich Anpassungen in ganz anderen Bereichen der Hochschule wie dem Prüfungsamt, der Mensa und der Wohnungsverwaltung. Eine Erfahrung, die jetzt viel wert ist. Denn der Professor für International Business Communication und Digital Business am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier – seit diesem Februar auch Vizepräsident der Hochschule – möchte das internationale Profil der Einrichtung schärfen. Daher haben er und sein Team sich mit dem Projekt „Hochschule Trier International: Zuhause und in die Welt“ beim neuen Programm HAW.International beworben. Das Programm hat der DAAD im vergangenen Jahr mit vier verschiedenen Modulen (A–D) aufgelegt, um die Hochschulen für angewandte Wissenschaften in den unterschiedlichen Phasen ihrer Internationalisierung zu unterstützen. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Prof. Dr. Stefan Diemer von der Hochschule Trier ist begeistert von der Perspektive, im Anschluss an den Aufbau der Internationalisierungsstrategie mithilfe von Modul B diese Strategie umsetzen zu können.
Ziel: eine zukunftssichere Strategie für nachhaltige Internationalisierung
Die modulare Programmstruktur hat Prof. Diemer überzeugt: Das Modul A fördert Projekte zu Anbahnungs- und Vorbereitungszwecken, ist also genau passend für die Hochschule Trier, die mit ihrem Projekt den Aufbau einer Internationalisierungsstrategie gestartet hat. „Unser Ziel ist eine zukunftssichere Strategie für eine nachhaltige Internationalisierung“, so Prof. Diemer. Aus mehreren Gründen sei das gar nicht so einfach: Alle Akteurinnen und Akteure müssen mitgenommen werden, die Fachbereiche haben verschiedene Bedürfnisse im Hinblick auf Internationalisierung und stecken in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. „Die Förderung durch den DAAD ermöglicht uns, dauerhafte Projektteams zu bilden.“ Kathrin Franzen wurde über die Fördermittel als neue Projektmanagerin eingestellt. Unter anderem war sie bereits Projektmanagerin des europäischen Projekts „UniGR-Center for Border Studies“ an der Universität Luxemburg und bringt die richtige Expertise mit, um Internationalität breit zu denken: „Wir haben unser Projektteam bewusst international und interdisziplinär aufgestellt und an jeden der drei Campi unserer Hochschule angesiedelt“, sagt sie. „So sind wir vor Ort präsent und können im direkten Austausch mit den handelnden Personen interagieren und bündeln somit internationale Ressourcen an den Schnittstellen.“
Mithilfe der Fördermittel soll eine crossmediale Marketingkampagne entwickelt werden, um das Thema Internationalisierung sichtbarer zu machen. Die Kampagne umfasst unter anderem einen Imagefilm, Videoclips, eine Broschüre und Plakate.
Zurzeit ist das Projektteam in Trier im Analyseprozess und trägt alles zusammen: Zum Beispiel wird untersucht, welche bestehenden Kooperationen insbesondere in der Großregion, aber auch darüber hinaus, eignen sich für strategische Partnerschaften? Denn nur Partnerschaften auf Augenhöhe, bei denen beide Seiten vom Austausch und Wissenstransfer profitieren, sind nachhaltig. Oder welche Kompetenzen gibt es bereits an den drei Campi der Hochschule? Geplant ist eine Best-Practice-Projektdatenbank, die den kollegialen Austausch anregen soll sowie internationales Engagement sichtbar macht und würdigt. „Der Prozess muss partizipativ sein, damit wir jeden mitnehmen“, sagt Franzen. Aktuell sei man dabei, Onlineumfragen und Experteninterviews für die Zielgruppen Hochschulleitung, Lehrende, Verwaltung und Studierende zu entwickeln. Die Ergebnisse seien das Fundament für die Weiterentwicklung der Internationalisierungsstrategie.
Für Kathrin Franzen, Projektmanagerin für „Hochschule Trier International: Zuhause und in die Welt“, kann der Internationalisierungsprozess nur gelingen, wenn man top-down und bottom-up agiert.
Flexibilität bei der Gestaltung
Wichtig ist auch die Flexibilität, die der DAAD bei der Projektgestaltung zulässt. Als durch Corona die physische Mobilität von heute auf morgen nicht mehr stattfand, waren manche geplanten Schritte zunächst nicht realisierbar. Andererseits eröffneten sich neue Chancen: „Uns war von Anfang an wichtig, die Digitalisierung strategisch zu nutzen, um die Internationalisierung voranzubringen“, sagt Franzen. „Wir konnten ohne Probleme Fördermittel kurzfristig umwidmen und eine digitale Fortbildungsreihe zum Thema ‚Wie plant und setzt man erfolgreich unterschiedliche Formate des virtuellen Austausches um‘ vorziehen.“ Diese „virtual exchanges“ werden Teil der Internationalisierungsstrategie. Und das ist auch die Empfehlung von Prof. Diemer an die Kolleginnen und Kollegen anderer Fachhochschulen: „Wir haben ein riesiges Instrumentarium an Methoden, die müssen wir miteinander verzahnen, damit Internationalisierung nachhaltig funktioniert.“
FH Dortmund: Bachelorstudiengänge im Ingenieurwesen internationalisieren
Ähnlich positive Erfahrungen mit den passgenauen Modulen macht die Fachhochschule Dortmund. Prof. Dr. Stephan Weyers vom Fachbereich Wirtschaft und Clara Decelis Grewe vom Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) leiten die Umsetzung des HAW.International Programms. Die FH Dortmund hat sich mit dem Projekt „InduTwin (Industrial Twin Bachelor Programme)“ für Modul B beworben, das sie bei der Durchführung von Modell- und Kooperationsprojekten mit internationalen Partnern unterstützt. Denn beim Stand der Internationalisierung ist die Fachhochschule Dortmund schon weiter als die Kolleginnen und Kollegen in Trier: Dortmund hat die Internationalisierung bereits seit 2011 strukturell in den Fachbereichen und der Verwaltung verankert und lebt sie in zahlreichen Aktivitäten. Es bestehen langjährige Partnerschaften zum Beispiel mit Lateinamerika, vor allem mit Mexiko und Peru. Und das DoCoChi, das Kompetenzzentrum für China an der FH Dortmund, baut die Kontakte mit China kontinuierlich aus. Das Projekt InduTwin hat das primäre Ziel, mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Digitalisierung/Industrie 4.0/Logistik die internationale Kooperation im Bereich der dualen Bachelorausbildung mit Partnerhochschulen in Lateinamerika und China aus- und aufzubauen und das Modell FH strategisch zu positionieren.
Die Fachhochschule Dortmund an der Otto-Hahn-Straße.
Twins an Partnerhochschulen gesucht
Das FH-übergreifende Projekt-Team identifiziert in einem ersten Schritt gemeinsam mit den Partnern passende Studienprogramme korrespondierend zu denen in Dortmund, sogenannte Twins. Dafür hat sie zunächst die drei Studiengänge International Business Management, Software-/Systemtechnik und Maschinenbau der FH als Pilotstudiengänge ausgewählt. „Wir prüfen deren Studiengänge im Detail. Passt das Grundstudium halbwegs zueinander? Wie lässt sich darauf aufbauen?“, so Decelis Grewe. Dass beim Umgang mit den Partnern Fingerspitzengefühl gefragt ist, wissen die Dortmunder aus Erfahrung: „Wir Deutsche arbeiten sehr strukturiert und preschen gerne vor. Aber wir dürfen nicht alles vorgeben und müssen unsere Vorgehensweise mit den Partneruniversitäten abstimmen“, sagt Prof. Weyers.
Mit dem Projekt InduTwin will Prof. Dr. Stephan Weyers das FH-Modell weiter in die Welt tragen.
Vertrauen ist ein weiterer wichtiger Punkt beim Aufbau der Netzwerke wie Decelis Grewe aus ihrer Erfahrung mit Vorgängerprojekten wie EuroPIM weiß: „Ein Projekt, bei dem wir über so viele Kontinente hinweg gemeinsam operieren möchten, lebt von einer guten Vertrauensbasis. Persönliche Kontaktesind sehr wichtig zum Ausbau der Netzwerke.“ Das nächste Ziel ist daher ein internationales Team, das die Programmkoordination gemeinsam steuert. Dieses Team hat sich Ende Mai während des ersten internationalen Strategieworkshops etabliert. Eigentlich war er in Lateinamerika geplant. Aber aufgrund der Reisebeschränkungen durch Corona wurde er kurzfristig als virtuelles Treffen konzipiert. „Dabei mussten wir die verschiedenen Zeitzonen beachten. Außerdem sind Onlinebesprechungen sehr kräftezehrend, auch das mussten wir strukturell berücksichtigen“, sagt Decelis Grewe. Glücklicherweise konnte sie den Kurs „Virtual Team Collaboration“ der AHK Shanghai zu zum Thema Vertrauensbildung absolvieren. Dieses neue Wissen vermittelte Decelis Grewe in einem Webinar sogleich weiter: „Es ist wichtig, dem zukünftigen internationalen Team Tools und Ideen an die Hand zu geben.“ Das sei auch ein wichtiger Tipp für andere Hochschulen: Man sei bei der Internationalisierung in einem ständigen Lernprozess und Kommunikation sei absolut entscheidend.
„Internationalisierung ist ein Geben und Nehmen“, so Clara Decelis Grewe von der Fachhochschule Dortmund. Plattformen schaffen, wo dieser Austausch möglich ist, ist für sie essenziell.
Ineinandergreifen verschiedener Formate fördert Internationalisierung
Kleinere Teams sollen demnächst Unterthemen wie Summer Schools, Konferenzserien, E-Learning und die Kooperation mit Unternehmenspartnern etc. gemeinsam bearbeiten. „Das Ineinandergreifen dieser Maßnahmen ist für eine erfolgreiche Internationalisierung wichtig“, erläutert Prof. Weyers. Das Blockformat einer Summer School erlaubt Studierenden, sich für eine Woche mit den Inhalten eines Semesters zu beschäftigen. In dieser Zeit bringt man sowohl Lehrende als auch Studierende dazu zusammenzuarbeiten. Erprobt also genau das, was später für Doppelabschlüsse benötigt wird. Schließt die Hochschule an eine Summer School direkt eine Konferenzserie an, auf der sich die Lehrenden über gemeinsame Forschung und Publikationen austauschen können, gibt sie ihnen einen weiteren Mehrwert, sich für internationale Zusammenarbeit zu engagieren. Wenn für eine Konferenzserie dann noch Vertreter aus Unternehmen als Redner gewonnen werden, ist die Win-Win-Situation perfekt: Da die FH Dortmund Konferenzserien auch für erfolgreiche Studierende öffnet, die dort ihre Themen präsentieren, lernen sich Vertreter von Unternehmen und Studierende ebenfalls kennen. Die erste Summer School soll Anfang Juli stattfinden. Da aufgrund von Corona Studierende und Lehrende aus dem Ausland nicht kommen können, wird das Projektteam ein Hybrid-Format anbieten: Die Lehrenden der FH Dortmund werden wahrscheinlich vor Ort sein, und momentan überlegt man, wo welche Teams live auftreten können und wie man sie virtuell verbindet. InduTwin nimmt Gestalt an!
Astrid Hopp (15. Juni 2020)
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Austausch gesucht?
Unter „Internationalisierung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Fachhochschulen (HAW.International)“ finden Sie beim Unterpunkt ‚geförderte Projekte‘ eine Auflistung aller bisherigen Programmteilnehmer mit Kurzprofilen und Kontakt.
Hochschule Trier
Nutzt Modul A: Projekte zu Anbahnungs- und Vorbereitungszwecken; Förderzeitraum zwei Jahre, Fördersumme: 500.000 Euro
Fachhochschule Dortmund
Nutzt Modul B: Durchführung von Modell- und Kooperationsprojekten mit internationalen Partnern; Förderzeitraum vier Jahre, Fördersumme: 1.000.000 Euro