Wie sich Europäische Hochschulallianzen mit lokalen und regionalen Partnern vernetzen

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Zukunftsfragen im interdisziplinären Austausch lösen – ein wichtiges Anliegen der Europäischen Hochschulallianzen.

Die Interaktion mit externen Stakeholdern ist ein zentraler Ansatz der Europäischen Hochschulallianzen – zur Identifizierung und Lösung transnationaler Herausforderungen von heute und zur Mobilisierung des europäischen Gedankens. DAAD Aktuell hat dazu mit Vertreterinnen von drei Allianzen gesprochen.

In der Hochschulallianz ECIU (European Consortium of Innovative Universities) hat die Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Partnern Fahrt aufgenommen. Das gemeinsame Ziel ist es, Herausforderungen, denen die Welt heute gegenübersteht, ins Studienprogramm aufzunehmen und im interdisziplinären Austausch an Lösungen zu arbeiten. In der Pilotphase der Allianz stehen vor allem Fragestellungen im Zusammenhang mit dem UN-Ziel 11 im Fokus: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“. Insgesamt 72 „Challenges“, aus dem „echten Leben“ werden nun kontinuierlich von den zwölf ECIU-Partneruniversitäten gesammelt und im Rahmen der multidisziplinären Kooperationen in die Hochschulbildung aufgenommen. Voraussetzung: Die Herausforderungen müssen von gesellschaftlicher sowie internationaler Relevanz sein – auch wenn sie regionalen Ursprungs sind. „Wir sind hier bereits ein gutes Stück vorangekommen. Anfang Februar wurden die ersten 24 „Challenges“ präsentiert, in denen jeweils Ist-Zustand, Herausforderungen und Ziele skizziert sind“, sagt Dr. Andrea Brose, geschäftsführende Koordinatorin des Zentrums für Lehre und Lernen an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und Teilprojektleiterin für das Arbeitspaket „CB Education“. Die TUHH ist die deutsche Partneruniversität der Hochschulallianz ECIU.

Wie sich Europäische Hochschulallianzen mit lokalen und regionalen Partnern vernetzen

ECIU

Hochschulallianz ECIU – European Consortium of Innovative Universities

  • Technische Universität Hamburg, Deutschland
  • University of Twente, Niederlande (Projektkoordination)
  • Aalborg University, Dänemark
  • Dublin City University, Irland
  • Groupe INSA, Frankreich
  • Kaunas University of Technology, Litauen
  • Linköping University, Schweden
  • Tampere University, Finnland
  • University Autònoma de Barcelona, Spanien
  • University of Aveiro, Portugal
  • University of Stavanger, Norwegen
  • University of Trento, Italien

Herausforderungsorientierter Ansatz im Mittelpunkt
Ein konkretes Beispiel für eine „Challenge“ hat die Partneruniversität Stavanger in Norwegen eingebracht: Immer mehr Kreuzfahrtschiffe machen im Herzen der Hafenstadt Stavanger Halt und sorgen für enorme Touristenströme. Um die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, muss sich die Stadt mit den klimatischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Kreuzfahrt-Tourismus auseinandersetzen und einen nachhaltigen Tourismus entwickeln. Zur Identifizierung weiterer Herausforderungen ist die Technische Universität Hamburg derzeit auch im Gespräch mit verschiedenen Stakeholdern der Hansestadt. Zum Beispiel im Hinblick auf den ITS-Weltkongress, der weltweit größten Veranstaltung für intelligente Verkehrssysteme (Intelligent Transport Systems) in den Bereichen Mobilität und Logistik, der 2021 in der Hansestadt stattfinden wird. „Hier sammeln wir derzeit in Kooperation mit den Partnern wichtige Fragestellungen im Hinblick auf die lokale Mobilität in Hamburg“, sagt Dr. Andrea Brose.

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Constanze Schneider/TUHH

Die ECIU-Allianz setzt auf „Challenge-based education“: Dr. Andrea Brose, geschäftsführende Koordinatorin des Zentrums für Lehre und Lernen an der Technischen Universität Hamburg, deutscher Partner von ECIU.

Wie bei allen „Challenges“, die das Netzwerk einbringt, sind nun Lehrende und Lernende der Allianz aufgefordert, diese in ihr Studienprogramm aufzunehmen. Diese „Challenge-based education“ (CBE) – herausforderungsbasierte Bildung – in die Hochschulen zu integrieren, ist ein Entwicklungsprozess, der begleitet werden muss. Dafür hat die ECIU-Allianz die „Innovation of Education Labs“ eingerichtet. „Diese virtuellen und physischen Räume ermöglichen es den Lehrenden, Lernenden und externen Partnern, ein Netzwerk aufzubauen und gemeinsam forschungsbasierte Lernsettings zu entwickeln und über sie zu reflektieren“, erklärt Dr. Andrea Brose. In diesem Zusammenhang wird im September auch ein virtueller Workshop für die Universitäten der ECIU-Allianz stattfinden. Primär wird der Workshop Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeitende der Universitäten dabei begleiten, den Ansatz der „Challenge-based education“ zielführend umzusetzen. Gleichzeitig bietet der Workshop Gelegenheit, die Teilnehmenden zu Multiplikatoren für „Challenge-based learning“ weiterzuentwickeln.

Europa ins Klassenzimmer holen
Die Kooperationen mit außeruniversitären Partnern münden auch bei der Hochschulallianz FORTHEM (Fostering Outreach within European Regions, Transnational Higher Education and Mobility) in erste konkrete Projekte, die trotz der Pandemie Gestalt annehmen. So baut die Allianz im Rahmen des Projekts „Bringing Europe in our local Classrooms” ein Praktikumsnetzwerk zwischen den Schulen der sieben Universitätsstädte im Verbund auf. Ziel ist, Lehramtsstudierenden über vier Wochen erste Lehrerfahrungen im internationalen Kontext zu ermöglichen. „Wir holen so den europäischen Mobilitätsgedanken ins Klassenzimmer. Die Studierenden der Allianz und die lokalen Schulen profitieren gleichermaßen. Wenn Nachwuchslehrkräfte aus den verschiedenen Ländern als Praktikantinnen und Praktikanten am Unterrichtsgeschehen teilnehmen, tragen sie den europäischen Gedanken an die Schülerinnen und Schüler weiter“, sagt Dr. Tanja Herrmann, Projektleiterin FORTHEM an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, deutscher Hochschulpartner der Allianz. Die zweite Säule des Programms bildet eine Fortbildungsmaßnahme für Lehrkräfte, die bereits im Berufsleben stehen. So wird für jeweils drei Lehrkräfte aus den sieben Ländern der Allianz eine europäische Fortbildungsmaßnahme aufgesetzt. Dabei werden aktuell relevante Themen an Europas Schulen in den Blick genommen – zum Beispiel Diversität, Populismus oder Klimawandel. Über diese Themen wird in den internationalen Gruppen intensiv debattiert, um die Erkenntnisse in die eigenen Klassenräume einzubringen. Das Programm soll im Frühjahr 2021 starten.

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Forthem

Hochschulallianz FORTHEM – Fostering Outreach within European Regions, Transnational Higher Education and Mobility

  • Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland (Projektkoordination)
  • Jyväskylän yliopisto in Jyväskylä, Finnland
  • Latvijas Universitāte in Riga, Lettland
  • Università degli Studi di Palermo, Italien
  • Universitat de València, Spanien
  • Université de Bourgogne in Dijon, Frankreich
  • Uniwersytet Opolski in Oppeln, Polen


Eine weitere Initiative, die für innovative Formen der Zusammenarbeit steht, sind die FORTHEM-Labs, die von den Universitäten der Allianz aktuell aufgebaut werden. Dabei werden an jedem Standort sieben „Thinktanks“ zu den Themen Migration und Diversität, Digitale Transformation, Multilingualität, „FoodScience“, Klima und Ressourcen sowie Resilienz und demografischer Wandel etabliert. Die Labs arbeiten sehr stark interdisziplinär und sollen zukünftig auch intersektoral Brücken schlagen zu außeruniversitären Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft – und das sowohl lokal als auch international. Jedes Lab ist mit mindestens 16 Personen besetzt – acht Studierende, acht wissenschaftliche Mitarbeitende. „Mit unseren FORTHEM-Labs sind Forschungsplattformen entstanden, die sich mit Zukunftsfragen beschäftigen, die unsere Gesellschaften stark betreffen werden“, unterstreicht Tanja Herrmann.

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Privat

Den europäischen Mobilitätsgedanken ins Klassenzimmer holen: Dr. Tanja Herrmann, Projektleiterin FORTHEM an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Partner mit Strahlkraft stärken die Allianz
Auch die vier Kunsthochschulen der Europäischen Hochschulallianz EU4ART (Alliance for Common Fine Arts Curriculum) arbeiten daran, den Austausch zwischen Lehrkräften, Studierenden sowie lokalen und regionalen Partnern zu intensivieren. Denn neben der Entwicklung eines gemeinsamen Curriculums ist der Aufbau eines internationalen Verbunds der künstlerischen Werkstätten ein zentrales Anliegen von EU4ART. „Lokale Partner und die Strahlkraft, die sie mitbringen, sind für unsere Allianz von großer Bedeutung“, sagt Andrea Weippert, Leiterin des Referats für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden (HfBK). Die HfBK ist der deutsche Partner in der Allianz aus vier Kunsthochschulen. Einer dieser lokalen Partner sind die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), die mit 15 Museen einer der Big Player im globalen Museumskontext sind. 

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EU4ART

Hochschulallianz EU4ART – Alliance for Common Fine Arts Curriculum

  • Hochschule für Bildende Künste, Dresden, Deutschland
  • Hungarian University of Fine Arts, Ungarn (Projektkoordination)
  • Academy of Fine Arts of Rome, Italien
  • Art Academy of Latvia, Lettland

Mit diesem wichtigen Partner im EU4ART-Netzwerk findet im November das mehrteilige Symposium „Handmade Tales“ statt. Die fast zweiwöchige Veranstaltung beleuchtet traditionelle handwerkliche Techniken in der künstlerischen Lehre sowie ihre zeitgemäßen Perspektiven und Entwicklungen – sowohl innerhalb als auch außerhalb der akademischen Institutionen. Kernfragen sind zum einen die Bedeutung der manuellen Arbeit in der Werkstatt, zum anderen der Balanceakt zwischen Freiheit und Anleitung innerhalb eines Curriculums der Bildenden Kunst. Das Programm beginnt mit einer zweitägigen allianzinternen Konferenz, die Raum für den fachlichen Austausch im Lehrkontext der vier Partneruniversitäten bietet. Ebenso auf dem Programm stehen Debatten, die vor allem in Kleingruppen und unter Beteiligung von Studierenden stattfinden werden. In der parallel dazu laufenden Ausstellung „Existenz“ im Oktagon, der Kunsthalle der HfBK Dresden, sind Arbeiten der Studierenden der Allianzpartner zu sehen. Die zweite Woche des Symposiums ist vor allem der künstlerischen Praxis und dem Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden gewidmet. Eine begrenzte Anzahl Studierender jeder EU4ART-Akademie kann daran teilnehmen.

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Dorothée Billard

EU4ART braucht lokale Partner mit Strahlkraft: Andrea Weippert, Leiterin des Referats für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden.

Die aktuellen Kooperationsprojekte der Europäischen Hochschulallianzen ECIU, FORTHEM und EU4ART sind erste Beispiele für den vielfachen Mehrwert, den die Verzahnung mit regionalen und lokalen Akteuren erzeugen kann: Sie stärken die Hochschulen in ihrer Rolle als Innovationsfaktor an der Schnittstelle zu Wirtschaft und Gesellschaft und ermöglichen den Studierenden neue Lernerfahrungen – indem transnationale Zukunftsfragen von heute nicht nur theoretisch reflektiert, sondern im interdisziplinären Austausch praxisnah gelöst werden.

Vera Haase (24. August 2020)